Osteopathie

Osteopathie

Im Jahr 1874 stellte Andrew Taylor Still (1828-1917) seine Philosophie und Praxis der Osteopathie erstmals vor. Seine Enttäuschung über die damals praktizierte Medizin führte zur Formulierung eines neuen medizinischen Konzeptes, das er Osteopathische Medizin nannte.

Still hatte im Rahmen seiner Philosophie im wesentlichen folgende Grundkonzepte:

  1. Die Einheit des Körpers
  2. Die heilende Kraft der Natur, wobei die Rolle des Arztes sei, diese Fähigkeit zu unterstützen
  3. Er hielt das muskuloskeletale System für einen integralen Teil des Körpers, über dessen Behandlung die Gesundheit des gesamten Körpers beeinflussbar wäre.
  4. Die Beziehung von Struktur und Funktion, wobei er der Überzeugung war, dass die Struktur die Funktion und die Funktion ihrerseits die Struktur beeinflußt.
  5. Die Anwendung der Manipulationstherapie

Mit Stills zunehmendem klinischen Erfolg und wachsender nationaler sowie auch internationaler Berühmtheit kamen sehr viele Hospitanten zu ihm, um die neue Wissenschaft der Osteopathie zu erlernen.
Dies führte 1892 zur Gründung des ersten College für osteopathische Medizin in Kirksville (Missouri). Im Jahr 1995 gab es bereits 17 solcher Colleges in den Vereinigten Staaten, die über 2000 Studenten pro Jahr ausbilden.

 

Rechtlicher Hinweis:
Aus rechtlichen Gründen wird darauf hingewiesen, dass in der Benennung der beispielhaft aufgeführten Anwendungsgebiete selbstverständlich kein Heilversprechen oder die Garantie einer Linderung oder Verbesserung aufgeführter Krankheitszustände liegen kann. Die  Anwendungsgebiete beruhen auf Erkenntnissen und Erfahrung in der hier vorgestellten Therapierichtung osteopathischer Medizin.

Aus der Bekanntmachung der Bundesärztekammer „wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren“ (Deutsches Ärzteblatt 2009, S. 2325 ff) geht hervor, dass manuelle Therapien wie die Chiropraktik und Osteopathie allgemein – ohne besondere Bezugnahme auf bestimmte Anwendungsgebiete – keine belegbaren, wissenschaftlich nachgewiesenen Wirkungen haben. Denn für eine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung Studien unter Heranziehung einer ausreichenden Anzahl von Probanden und die Durchführung von randomisierten Placebo kontrollierten Doppelblindstudien mit einer adäquaten statistischen Auswertung (vergleiche OLG Düsseldorf fharmR 2010/353ff).

Auch wenn eine Fülle von Studien im Bereich der manualtherapeutischen Medizin, zu der auch die Osteopathie gehört, bislang erfolgt sind, ist es extrem schwierig randomisierte Doppelblindstudien im Bereich der manuellen Therapie durchzuführen, da bereits mit der Handanlage am Patienten Veränderungen der Strukturen geschehen können.

Für den Bereich der Wirbelsäule, z.B. beim chronischen Schmerz-Syndrom der Wirbelsäule geht die Bundesärztekammer in der Regel von einer Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen aus (Deutsches Ärzteblatt 2009, S. 2325 ff.). Im Übrigen gibt es bislang keine Studien, die in wissenschaftlicher Hinsicht mit randomisierten Placebo kontrollierten Doppelblindstudien die Wirkungsweisen der osteopathischen bei den genannten Krankheitsbildern nachweisen.

In der Ausgabe 1/2010 der Zeitschrift „Osteopathische Medizin“ des Elsevier Verlages (S. 10-21) ist eine Veröffentlichung der Empfehlung des wissenschaftlichen Beirates für die BÄK bzgl. der Osteopathie abgedruckt. Aus dieser Veröffentlichung wird klar deutlich, dass für den Bereich Osteopathie  bei restriktiver Suche in der Datenbank Medline (Einschränkung auf Records mit einschlägigen MeSH-Begriffen und ohne Verwendung des Begriffs „effectiveness“) insgesamt 62 als thematisch relevant zu bezeichnende Einträge vorhanden sind, welche also tatsächlich die Wirksamkeit osteopathischer Behandlungsformen thematisieren. Hiervon konnten 16 der Evidenzklasse Ia zugeordnet werden. Zudem erfüllen weitere 16 Artikel die Kriterien der Evidenzklasse Ib. Die restlichen Einträge zählen zu den Kategorien II-IV Level- und Metaanalysen. Verschiedene dieser Studien und Metaanalysen kamen zum Ergebnis, dass osteopathische Behandlungen bei einer Reihe unterschiedlicher Gesundheitsstörungen/Erkrankungen wirksam sein können.

Für viele operative Verfahren wie auch Behandlungsverfahren innerhalb der einzelnen Disziplinen wie Orthopädie, Innere Medizin, etc. fehlen sogar diese wissenschaftlichen Nachweise der Güteklasse A.

 

Inhalte der Osteopathie

Die Säulen der osteopathischen Behandlungsformen sind die Muskelenergietechnik, die Myofasciale Releasetechnik, die Craniosakrale Technik, bestimmte Lagerungstechniken (strain counterstrain), die Viscerale Technik usw.

Es sind alles risikoarme und nebenwirkungsfreie Techniken, Zwischenfälle sind bislang nicht bekannt geworden.

Zu den osteopathischen Techniken im Einzelnen:

Muskelenergietechnik
Durch diese neue Technik werden therapierbar: funktionsgestörte Wirbelsäulen und Extremitätengelenke mit Auswirkung auf die Gelenkmechanik, mit Auswirkung auf die inneren Organe, sowie mit Auswirkung auf das periphere und zentrale Vegetativum, welche nicht oder nicht allein durch eine der üblichen manipulativen, chirotherapeutischen Impulstechniken therapiert werden können.

Verkürzte Bindegewebsstrukturen und Muskelanteile können Schritt für Schritt gelöst werden und gleichzeitig können dystonische Muskeln durch diese reflextherapeutische Maßnahme, die über das sympathische Nervensystem regulativ eingreift, gelockert und in eine Muskelbalance gebracht werden.

Dabei ist die exakte Einhaltung der Anspannungs- und Entspannungszyklen im Zusammenhang mit In- und Expiration sowie Fascilitierung durch Blickwendung in eine durch die Funktionsstörung vorgegebene Richtung aus einer speziellen Einstellung des Rumpfes, der Wirbelsäule und der Extremitäten notwendig.

Craniosakrale Therapie
Die Craniosakrale Therapie wurde 1940 durch Sutherland entwickelt, der die Prinzipien der Chirotherapie auf die Schädelknochen ausweitete. Er konnte zeigen, dass die Schädelknochen und das Sacrum eine eigene Bewegung haben, die miteinander gekoppelt sind. Die Ziele der CS liegen in der Beseitigung von Störungen in der Spannung der Hirnhäute (Meningen) und in der Verbesserung des craniosakralen rhythmischen Impulses, wodurch sich eine Vielzahl von organischen Störungen beheben lassen, angefangen von Kopfschmerzen bis hin zu Lumbalgien.

Viszerale Technik
Bei der Viszeralen Technik handelt es sich um eine Behandlung der Ligamente und Strukturen, welche als Aufhängung bzw. Umhüllung von Eingeweiden und inneren Organen dienen. Dabei ist zu beachten, dass diese Strukturen nach neuesten Erkenntnissen kontraktile Elemente beinhalten, sich also entspannen oder verkürzen können und sehr viele netzartig verzweigte, markarme Nervenendigungen, vor allem des vegetativen Nervensystems enthalten, die als Afferenzen der vegetativen Steuerung dienen.

Es hat sich gezeigt, dass eine Behandlung dieser Strukturen vor allem bei schon lange chronisch verlaufenden funktionellen Störungen und nach Traumata sinnvoll ist, die mit verbleibender Dysfunktion, d.h. nur unvollständig, abheilen.

Strain Counterstrain oder Entspannung durch Positionieren
Die Technik wurde von Lawrence Jones entwickelt. Primär gilt es, schmerzhafte Punkte (sogenanntetender-points) zu lokalisieren und über eine gewisse Zeitspanne zu palpieren. In einem zweiten Schritt wird eine Körperposition eingestellt, die für den Patienten am wenigsten schmerzhaft und möglichst bequem ist. Wurde ein Tender-Point lokalisiert, dann wird der Patient über eine Körperposition so eingestellt, dass er kaum noch Beschwerden hat.

Diese Position wird nun 90 Sekunden gehalten. Anschließend erfolgt das langsame Rückführen in die normale Körperposition und die Nachuntersuchung. Diese Tenderpoints sind nicht zu verwechseln mit Triggerpunkten, die eine andere Lokalisation und auch Behandlungsform erfahren müssen.

Myofasziale Releasetechnik
Die Myofasziale Releasetechnik ist eine Kombination aus Weichteiltechniken, Muskel-Energietechnik und funktioneller indirekter Technik, welche auf die Faszienbehandlung zielt. Die Bedeutung der Faszien als Struktur wurde von vielen Untersuchern mittlerweile erkannt und in teils eigene therapeutische Ansätze umgearbeitet.

Eine Stimulation der Mechanorezeptoren in den Faszien führt zu biomechanischen Veränderungen in den Weichteilen und zu einer Modifikation der neuralen Reflexmechanismen. Die restriktive Barriere kann direkt durch Dehnung des Gewebes angegangen werden. Um die Myofasziale Releasetechnik adäquat anwenden zu können, sind exakte Kenntnisse über Aufbau und Funktion der Faszien erforderlich. Die Faszien des Körpers bilden eine kontinuierliche Verbindung innerhalb bestimmter Körperregionen und des gesamten menschlichen Körpers und verbinden somit sämtliche Organe des Menschen.

Die Elastizität der Faszien ist dabei verantwortlich für die Formkonstanz der verschiedenen Körperkomponenten. Nach Verletzungen akuter Art oder auch durch chronische repetitive Microtraumen können Faszien mit einer Strukturveränderung reagieren, so dass dies zu biomechanischen Veränderungen im gesamten Körper führen kann. Durch die myofaszialen Releasetechniken werden dabei diese strukturellen Veränderungen wieder gelöst. Chronische Schmerzzustände, vor allem auch der sog.postoperative Schmerz gehören sicherlich in die Domäne dieser Behandlung.